Tante Ernas Erbstück

In jeder Wohnung findet sich ein Ort, der etwas häßlicher ist. Vielleicht ist es die Besenkammer oder die Ecke mit dem altem Stuhl, dem Erbstück von Tante Erna. Ein Glück, daß auch das Schlechte bisweilen zu etwas gut sein kann. Dieser „schreckliche“ Ort, eignet sich hervorragend, um über einen Umweg in den Schlaf zu finden.

Das Schlafzimmer symbolisiert gute Gefühle, Entspannung und Schlaf. Normalerweise. Wer an dieser Stelle Probleme wälzt, macht daraus eine mentale Folterkammer. Wer länger als zehn Minuten Mitten in der Nacht wach liegt und sich mit schlechten Gedanken quält, steht am besten auf und macht Nägel mit Köpfen und andere Arbeiten, die er lange vor sich hergeschoben hat. Aufräumen ist der Klassiker für schlaflose Nächte. Vielleicht wartet auch noch die spannende Steuererklärung. Oder man möchte tatsächlich Tante Ernas Stuhl endlich flicken…

Kopfarbeit zählt ebenso. Probleme lösen ist auch Arbeit. Sorgen machen? Natürlich, kaum etwas kostet mehr Kraft, auch wenn es einen der Lösung nicht näherbringt.  Mark Twain traf den Nagel auf den Kopf: „In meinem Leben habe ich unvorstellbar viele Katastrophen erlitten. Die meisten sind nie eingetreten.“ Einen nächtlichen Versuch ist es aber wert. Treten sie ein in die Besenkammer des Schreckens. An diesem unheimlichen Ort zu unheiliger Zeit darf jeder seinen Horror-Gedanken nachhängen. Der Sorgensessel der Tante oder auch jedes andere ungeliebte, widerwärtige Möbelstück, das man bisher nicht entsorgen konnte, sind dafür ideal. Zählen sie nicht Schafe, sondern Sorgen auf dem Sorgensessel. Wer man lange genug übt, braucht man nur noch an das eklige Möbelstück zu denken und es geht ihm gleich viel, viel schlechter. Und das ist gut so. Die negativen Gedanken haben einen Ort, an dem sie bleiben dürfen. Also rufen sie die Geister und werden sie sie damit los!

Da der Stuhl – im Gegenteil zum kuscheligen Bett – unbequem ist, wird einem das Katastrophalisieren nicht zur Ruhe kommenlassen. „Oh Gott, die Welt geht unter. Schnell noch die Decke über den Kopf ziehen.“  Keine Decke, kein Frieden. Statt dessen malträtiert man sich und die Grübelei mit dem unbequemen Stuhl und bewirkt so, daß die masochistische Lust am Sorgen abnimmt. Man sehnt sich zurück nach der Matratze. Die Belohnung gönnt man sich aber erst, wenn einem die Augen zufallen. Wer nun endlich zu müde zum Grübeln zurück ins Bett schlafwandelt, den empfängt Wärme und eine traumhafte innere Ruhe mit der zartesten Bettwäsche unter dem Sternenhimmel. Die Sorgen bleiben in der Ecke auf dem Stuhl hocken.

Der Psychologe spricht vom Prinzip Operantes Konditionieren oder auch Belohnungslernen. Nächtliches Grübeln wird bestraft. Schlafen belohnt. Übung, eine gesunde Härte gegen sich selbst und die Wahl des richtigen Möbelstücks sind die Ingredienzen des wissenschaftlichen Erfolgsrezepts.

Wer keinen Stuhl von Tante Erna besitzt oder meint, daß die ganze Wohnung ein Scharaffenland ist, kann sich auch in die Badewanne setzen und eiskalt duschen. Bei so viel Selbstüberwindung und Wille zur Besserung haben böse Geister und Gedanke auf lange Sicht ohnehin keine Chance und Probleme, die sie verursachen, werden tagsüber garantiert gelöst. Wie so oft ist das Handeln und nicht das Grübeln der eigentliche Schlüssel zum Erfolg.

Über Innere-Staerke

Dipl.-Psychologe und Spezialist für Stressmanagement und Soziale Kompetenz. Teamtrainer und Berater in Personalentwicklung und Personaldiagnostik. Gründer von Innere Stärke Trainings und Coachings und Personalentwicklung3000
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